Neues Projekt 2

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Prolog

Textauszüge > Band 2

Prolog



»Bitte«, flehte der Satyr und erhob sich auf die Knie, »bitte lass mich gehen.«
Er verzog sein Gesicht vor Schmerz.
»Ich schwöre«, keuchte er, »dass ich niemandem mehr etwas antun werde, egal, ob Frau oder Kind. Ich verschwinde von hier, und du musst mich nie wieder sehen. Bitte, hab Erbarmen.«
Laura blickte auf ihn hinunter. Er wirkte bemitleidenswert, doch sie blieb davon vollkommen unberührt. Memoria sah zu ihr auf, als wisse er nicht, was er tun sollte. Ohne den Satyr aus den Augen zu lassen, befahl sie verbittert: »Bring es zu Ende.«
Memoria zögerte nicht.
Mit gefletschten Zähnen stürzte sich der Feuerwolf auf die Kreatur und steckte sie in Brand. Der Satyr schrie, als die Flammen ihn auffraßen, doch Laura beachtete ihn nicht weiter.
Mit leeren Augen betrachtete sie die sterblichen Überreste seiner Gefolgsleute. Vermutlich sollte sie Reue empfinden wegen der Brutalität, mit der sie diese Kreaturen niedergemetzelt hatte, doch sie empfand gar nichts. Einen nach dem anderen ließ sie die Satyrn in Flammen aufgehen, und sah zu, wie sie langsam verbrannten. Dabei nahm sie Barocks Anwesenheit wahr, die ihr in dem Durcheinander bisher völlig entgangen war. Laura breitete die Arme aus und drehte sich im Kreis.
»Siehst du das?«, rief sie in den Wald hinein. »Du hattest die Chance mich zu töten und hast sie nicht genutzt! Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, wird es dir genauso ergehen!«
Es begann zu regnen, zuerst nur ganz leicht, doch bereits wenige Augenblicke später goss es in Strömen. Laura ließ schwer atmend die Arme sinken. Die Flammen waren erloschen und hatten von den Satyrn lediglich ein paar Häufchen Asche übrig gelassen.
Laura wunderte sich nicht darüber, dass auf einmal Lilly neben ihr stand. Ihre Schwester war mit dem Regen gekommen.
Gemeinsam starrten sie auf den Boden, bis Lilly flüsternd meinte: »Nichts wird mehr so sein wie früher.«
Laura schüttelte mechanisch den Kopf »Nein.«
Mehr zu sich selbst, fuhr Lilly fort: »Es werden schwere Zeiten auf uns zukommen.«
»Ich weiß.«
Und dann standen sie eine Weile einfach nur da.
Lilly blickte auf und musterte das Profil ihrer Schwester. »Fürchtest du dich?«
Laura hatte nicht die Absicht sie zu belügen.
»Ja«, erwiderte sie, ohne sich dafür zu schämen.
Lilly lächelte wehmütig und flüsterte: »Ich mich auch.«
Als Laura ihre Hand nahm, verschränkten sich ihre Finger ineinander.
Nur mit Mühe gelang es Lilly, ihre Tränen zurückzuhalten. »Ich bin froh, dass du bei mir bist.«
»Ja, ich bin auch froh.« Laura führte die Hand ihrer Schwester an ihre Lippen und küsste sie sanft.
»Bitte, lass uns von hier verschwinden«, bat sie erschöpft.
»Nur zu gerne.« Lilly legte die Arme um ihre Schwester und schloss die Augen.
Im nächsten Moment verschwammen ihre Körper zu Silhouetten und verschwanden mit dem Regen.
Ein Schatten löste sich aus dem Schutz der Bäume. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte man das Aufblitzen zweier Augen sehen, die das helle Mondlicht reflektierten.
Kurz hafteten sie auf dem Punkt, an dem Laura und Lilly eben noch gestanden hatten, bevor die Gestalt sich lautlos in die Dunkelheit des Nachtwaldes zurückzog.
Ja, es würden schwere Zeiten auf sie zukommen.


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